28.05.2008
„Standing Ovations“ im Krankenhaus
Leitende Oberärztin am Rotes Kreuz Krankenhaus in den Ruhestand verabschiedet
Wer Mittwochnachmittag an der Neustädter Piepe spazieren ging staunte nicht schlecht: 250 Menschen drängten sich im Café K und auf der Terrasse des Roten Kreuz Krankenhauses. Sie waren nicht etwa zur Eröffnung einer Kunstausstellung dort. Sie kamen, um sich persönlich von Dr. Evanthia Kohlschütter-Nitsiota zu verabschieden, die nach knapp 25 Jahren am RKK in den Ruhestand ging. Die mit Standing Ovations bedachte Medizinerin rang sichtlich um Fassung. Ihre Beliebtheit verdankt die gebürtige Griechin nicht nur ihrer kollegialen Art und ihrem fachlichen Wissen. Gerade die südländische Leidenschaft der quirligen Medizinerin scheint sehr vielen Menschen – ob Vorgesetzten, Kollegen oder Patienten – ans Herz gewachsen zu sein. „Der Versuch, mein Temperament den deutschen Gepflogenheiten anzupassen, ist mir nie ganz gelungen“, erklärt die 58-Jährige schmunzelnd.
Mit 18 Jahren verließ die Tochter einer Deutschen und eines Griechen ihr Elternhaus in Thessaloniki für ein Medizinstudium in Graz. Ihr Vater fand, der Beruf sei zu hart für eine Frau. „Ich wusste schon mit zehn Jahren, dass ich Ärztin werden wollte und habe die Entscheidung nie bereut“, so das leidenschaftliche Plädoyer von Dr. Kohlschütter-Nitsiota für ihre Berufswahl. Die Aussicht, als Ärztin in Griechenland eine Stelle nach dem Studium zu bekommen waren in den 70er Jahren nicht sehr rosig. „Ich verdanke Deutschland sehr viel, denn ich habe alle Vorteile einer emanzipierten Gesellschaft als Frau hier genießen dürfen, sagt die Medizinerin.“ Was nicht heißt, dass es kein Heimweh gab.
Ihr beruflicher Weg führte die mutige junge Frau zunächst nach Düsseldorf, wo sie promovierte und weiter nach Bremen ins Krankenhaus an der St. Jürgen-Str. Als Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie und zweite Oberärztin kam sie 1984 in die Medizinische Klinik ans Rote Kreuz Krankenhaus. Die letzten sechs Jahre arbeitete sie hier in leitender Funktion. Gleichzeitig war Sie fast 19 Jahre Betriebsärztin des Hauses. Die Nähe zu den Patienten, die Arbeit im Team und die Ausbildung des medizinischen Nachwuchses lagen ihr besonders am Herzen. „Das Maß aller Dinge“ zu finden und zu halten – diesen Rat Sokrates legte die engagierte Ärztin ihren Patienten in Punkto Lebensführung ans Herz. Auch in der Medizin gelte es heute mehr denn je, Maß zu halten und bei allem technischen Fortschritt den Menschen als Ganzes zu sehen, mahnt die Fachfrau.
Ihren Wohnort wird die reiselustige Medizinerin an zwei Orte verlegen: München, ihre erklärte deutsche Lieblingsstadt - nicht zuletzt aufgrund der grandiosen Oper - und Thessaloniki. In der Heimat freuen sich die betagten Eltern darauf, ihre Tochter endlich wieder bei sich zu haben. Was sie in Bremen vermissen wird? „Die tiefen, ehrlichen, innigen Menschen. Ich bin so dankbar für diese Freundschaften“, erklärt die Ärztin mit viel Herz. Griechisch fühlen und deutsch denken – das will auch im Ruhestand unter einen Hut gebracht werden.