Skoliose
Mit Magnetkraft gegen die Krümmung
Ein Implantat, das mitwächst, erspart Kindern mit schwerwiegender Skoliose mehrfache Operationen. In der Roland-Klinik kommt das neue Therapieverfahren zum Einsatz.
Ihr Brustkorb wölbt sich unter der Kleidung bereits stark zur Seite. Die gesamte Körperhaltung ist unübersehbar schief. Lena* ist elf Jahre alt und leidet an einer ausgeprägten Skoliose, einer seitlich verkrümmten Wirbelsäule. Sie hat zwar keine Schmerzen, kann sich aber nur eingeschränkt bewegen. Wie ihr geht es etwa drei bis fünf Prozent aller Bundesbürger. Allerdings werden viele frühzeitig behandelt, sodass die Krümmung entweder korrigiert oder ihr Status stabil gehalten werden kann. Nicht so bei Lena: Die Skoliose blieb lange unbehandelt, ihre Wirbelsäule erreichte eine Krümmung von 60 Grad. Ohne Therapie drohten der Schülerin schwerwiegende Folgen – für ihren Rücken, die Beweglichkeit und die Organe.
Ab 40 Grad wird operiert
»Eine Skoliose lässt sich normalerweise frühzeitig erkennen und gut behandeln«, so Klaus-Eberhard Kirsch, Chefarzt im Wirbelsäulenzentrum der Roland-Klinik. »Bei Betroffenen steht zum Beispiel eine Schulter tiefer als die andere oder ein Schulterblatt ragt heraus.« Ein Beckenschiefstand oder ein seitlicher Rippenbuckel seien ebenfalls Anzeichen. Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Krümmung und dem Alter des Patienten. Wenn die Wirbelsäule um weniger als 40 Grad gekrümmt ist, verhindert ein Korsett den weiteren Fort- schritt. Ab etwa 40 Grad muss operiert werden. Weil die operativ versteiften Wirbelsegmente jedoch nicht mehr weiterwachsen, wird bei Kindern und Jugendlichen möglichst auf eine Operation verzichtet. »In solchen Fällen wurde bisher mit Metallstäben gearbeitet, die links und rechts an der Wirbelsäule befestigt wurden und diese wieder in Form rückten. Der Nachteil: Die Stäbe wuchsen nicht von allein mit und mussten alle paar Monate operativ verlängert werden«, so Kirsch.
Via ›Fernbedienung‹ Verlängert
Bei Lena hat der Wirbelsäulenchirurg der Roland-Klinik im Sommer 2016 daher erstmals eine alternative Methode angewendet. Das Implantatsystem wurde für junge Patienten mit starker Skoliose entwickelt. Es macht die strapaziösen Verlängerungs-OPs überflüssig und die Wirbelsäule kann weiterwachsen. Zwar werden ebenfalls etwa 40 Zentimeter lange Titanstäbe an der Wirbelsäule befestigt; sie müssen jedoch nicht im Operationssaal verlängert werden: »Diese Stäbe können wir von außen mit Magnetkraft auseinanderziehen«, erklärt der Chefarzt. Dabei kommt eine Art Fernbedienung mit speziellen Magneten zum Einsatz, die auf den Rücken gelegt wird. Die Mediziner stellen präzise ein, wie viel die Stäbe wachsen sollen. Keine Schmerzen, keine Narkose, kein Eingriff. »Die Patienten kommen etwa alle drei bis sechs Monate zur Ver- längerung ambulant in die Klinik«, erklärt Kirsch.
Lenas Implantate wurden im Frühjahr 2017 zum dritten Mal verlängert. Zwar immer nur um wenige Millimeter, aber für Lena bedeuten sie meterweise gewonnene Lebensqualität. Bis ihr Wachstum beendet ist, bleiben die Stäbe im Körper. Sie wachsen mit und stabilisieren die Wirbelsäule so lange, bis die Krümmung endgültig korrigiert werden kann.
* Name auf Wunsch der Patientin geändert.
Kurz & knapp
Ursachen von Skoliose
In etwa 80 Prozent der Skoliosefälle ist keine Ursache bekannt. Ärzte sprechen dann von einer idiopathischen Skoliose. Eine familiäre Häufung wird beobachtet, eine direkte Weitervererbung gibt es nicht. Meist bildet sich eine Skoliose in starken Wachstumsphasen aus (etwa 10. bis 12. Lebensjahr). Mädchen sind häufiger betroffen. Ab dem 60. Lebensjahr steigt die Anzahl der Betroffenen wieder an.
Kontakt
Klaus-Eberhard Kirsch
Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums
0421-87 78-253
wirbelsaeulenzentrum@roland-klinik.de
Roland-Klinik am Werdersee
Niedersachsendamm 72/74
28201 Bremen
www.roland-klinik.de