Transplantation von Eierstockgewebe
Ein kleines Wunder
Philip ist ein ganz besonderes Baby. Nach einer Chemotherapie wurde seine Mutter auf natürlichem Weg schwanger. Ein neues Transplantationsverfahren im St. Joseph-Stift machte es möglich.
Wibke H. strahlt. Ihr junges Mutterglück täuscht fast darüber hinweg, dass ein steiniger Weg hinter ihr liegt. Die heute 34-Jährige hat eine bösartige Krebserkrankung überstanden: 2008 wurde bei Wibke H. ein Hodgkin-Lymphom diagnostiziert, ein Tumor des Lymphsystems. Die Prognose für die Heilung dieser Krebsart ist heute sehr gut. Die erste Therapie schlug zunächst an, doch 2012 kehrte die Erkrankung heftiger als zuvor zurück. Nun sollte eine hochdosierte Chemotherapie den Tumor bekämpfen.
Wegen ihres Kinderwunsches gaben ihre Onkologen der damals 30-Jährigen den Rat, sich umgehend an einen Spezialisten für den Erhalt der Fruchtbarkeit zu wenden. Die aggressive Chemotherapie zerstöre nicht nur Krebszellen, sondern meist auch die Funktion der Eierstöcke. Ihr Frauenarzt schickte Wibke H. schließlich zu Dr. Torsten Frambach, dem Chefarzt der Frauenklinik des St. Joseph-Stift.
Wibke H. erinnert sich: »Wir wollten auf jeden Fall Kinder. Die Aussicht, dass es vielleicht nie möglich ist, war ein Tiefschlag. Dr. Frambach erklärte uns das Verfahren und auch, dass es keine Erfolgsgarantie gebe. Ich habe nur den Strohhalm gesehen, an den wir uns klammern können.«
Bei der sogenannten Ovargewebs-Transplantation wird der Frau vor einer Chemotherapie in einem minimalinvasiven Eingriff Eierstockgewebe entnommen. Anschließend wird es in der Kryobank der Universitätsfrauenklinik Bonn, mit der die Schwachhauser Klinik kooperiert, eingefroren. »Das Auftauen und Wiedereinsetzen muss direkt erfolgen, sonst stirbt das Gewebe ab. Deswegen kommt Dr. Jana Liebenthron aus Bonn zu uns. Sie leitet die Kryobank«, so Frambach.
Vom schnellen Erfolg überrascht
Kurz vor Weihnachten 2014 ist es bei Wibke H. so weit. Der Krebs war zwei Jahre lang nicht wiedergekommen und ihr Kinderwunsch unverändert groß. Gynäkologe Frambach: »Das Gewebe pflanzen wir in eine Tasche hinter dem Eierstock wieder ein. Wenn alles gut verläuft, fängt der Eierstock nach ein bis drei Monaten wieder an zu arbeiten. Die Frauen brauchen keine Hormonbehandlung, ihr Körper funktioniert wieder wie vor der Erkrankung.« Im März hat Wibke H. die erste Regelblutung, schon im August wird sie schwanger: »Dass sich unsere Hoffnung so schnell erfüllt, hätten wir nie für möglich gehalten.« Philip erblickt im Mai 2016, am Geburtstag seines Papas, das Licht der Welt. Er ist das 17. Kind in Deutschland, das nach einer Ovargewebs-Transplantation geboren wurde. Für seine Eltern und das Team um Dr. Frambach aber ist er die absolute Nummer eins.
Kurz & knapp
Ovargewebs-Transplantation
In Deutschland beraten 95 Zentren des Ferti-PROTEKT-Netzwerks Menschen mit Kinderwunsch, wie die Fruchtbarkeit bei onkologischen und nichtonkologischen Erkrankungen erhalten werden kann. Neben Eizell- oder Spermienentnahme ist die Ovargewebs-Transplantation ein mögliches Verfahren. Diese wird seit 2006 international angewandt. In Deutschland wurde bisher circa 100-mal Eierstockgewebe retransplantiert. In 70 Prozent der Fälle wächst das Eierstockgewebe wieder an und 28 Prozent derjenigen, die schwanger werden möchten, sind es nach Auswertung der bisherigen Daten von FertiPROTEKT auch geworden.
Kontakt
Dr. Torsten Frambach
Chefarzt der Frauenklinik
0421-347-1300
frauenklinik@sjs-bremen.de
Krankenhaus St. Joseph-Stift Bremen
Schwachhauser Heerstraße 54
28209 Bremen
www.sjs-bremen.de