Humangenetik
Krankheitsrisiken (er)kennen
Das Wissen über erbliche Krankheiten ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Diese Erkenntnisse eröffnen Krankenhäusern und ihren Patienten neue Möglichkeiten.
Wenn Dr. Stephanie Spranger Stammbäume zeichnet, dann fliegt ihr Kugelschreiber über das Papier. Eltern, Großeltern, Onkel, Tanten, Geschwister, Cousins und Cousinen – über alle näheren Verwandten wird bei einer genetischen Beratung gesprochen. »Wir Humangenetiker sind immer auf der Suche nach einem Muster, nach dem sich Krankheiten weitervererben«, sagt die Ärztin. Die Praxis für Humangenetik, die sie gemeinsam mit einem Kollegen betreibt, grenzt an das St. Joseph-Stift, ratsuchende Patienten kommen jedoch aus dem gesamten Nordwesten hierher.
Auch der Bereich Humangenetik der Universität Bremen, mit der unter anderem das Brustzentrum des DIAKO Ev. Diakonie-Krankenhaus zusammenarbeitet, betreut Patienten aus einem großen Einzugsgebiet. »Eine genetische Beratung macht immer dann Sinn, wenn Menschen aufgrund von Krankheitsfällen in ihrer Familie den Verdacht haben, dass sie selbst von erblich bedingten Erkrankungen betroffen sein könnten«, sagt Professor Dr. Jörn Bullerdiek, leitender akademischer Direktor des Bereichs Humangenetik. »Aber auch in der pränatalen Diagnostik spielen genetische Informationen immer eine große Rolle.«
In vielen Fällen können die Humangenetiker bereits im Beratungsgespräch Entwarnung geben, ohne dass es zu einer genetischen Untersuchung kommt. »Bei erblichen Erkrankungen ist zum Beispiel die Frage wichtig, ob sich die Erkrankungen überhaupt in derselben Familie häufen«, sagt Bullerdiek. »Wenn eine Tante mütterlicherseits Brustkrebs hatte und eine Tante väterlicherseits auch, deutet das noch nicht zwingend auf ein erbliches Risiko hin. Wenn beide Tanten Schwestern waren, dagegen schon.« Ein weiterer wichtiger Faktor sei das Alter, in dem Verwandte erkrankt sind, betont Dr. Stephanie Spranger. »Je älter ein Mensch ist, desto anfälliger ist sein Zellmaterial für Krebserkrankungen. Wenn Verwandte dagegen schon sehr jung an Krebs erkrankt sind, sollte man genauer hinschauen.« Wichtige Erkenntnisse kann eine genetische Untersuchung bringen, die in den meisten Fällen anhand einer Blutprobe erfolgt. Die Ergebnisse können bei einer eventuellen Behandlung im Krankenhaus hilfreich sein. »So werden Therapien zum Beispiel oft schon im Vorfeld auf das jeweilige genetische Profil des Patienten beziehungsweise des Tumors abgestimmt«, betont Bullerdiek.
Genetische Untersuchungen sind jedoch nicht nur mit Blick auf ein potenziell erhöhtes Krebsrisiko wichtig. »Besonders bei Kindern mit Behinderungen kann eine genetische Untersuchung sehr sinnvoll sein«, so Spranger. »Anhand der Ergebnisse lassen sich konkrete Diagnosen stellen, die mit einer Prognose und der genauen Nennung des Wiederholungsrisikos verbunden sind sowie auch mit der Möglichkeit spezieller Pränataldiagnostik.«
Chance zum Gegensteuern
Seit vor 13 Jahren erstmals ein menschliches Genom entschlüsselt wurde, wachse das Wissen über Erbkrankheiten rasant – und damit auch die Möglichkeiten einer individualisierten Medizin, so Bullerdiek. »Die Humangenetik bringt ständig spannende neue Erkenntnisse hervor.« Genetische Untersuchungen, so betonen beide Fachleute unisono, können etwas über das Risiko aussagen, im Laufe des Lebens erblich bedingt zu erkranken. Ausgeliefert sei der Mensch diesem Risiko jedoch in der Regel nicht. Wer erhöhte Gefahren rechtzeitig erkenne, habe oft die Chance gegenzusteuern.
Kontakt
PD Dr. med. Stephanie Spranger
Fachärztin für Humangenetik
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kontakt@praxis-fuer-humangenetik.de
Praxis für Humangenetik
Schwachhauser Heerstr. 50 a-c
28209 Bremen
www.praxis-fuer-humangenetik.de
Prof. Dr. Jörn Bullerdiek
Zentrum für Humangenetik der Universität Bremen
0421 218-423
bullerd@uni-bremen.de
Universität Bremen
Leobener Str., ZHG
28359 Bremen