Pflege in der Notaufnahme
Routine im Ausnahmezustand
Mittwochnachmittag, 23. September 2015: Pfleger Toni tritt in der Zentralen Notaufnahme im Rotes Kreuz Krankenhaus Bremen zum Dienst an. Gesundheit:Bremen begleitet ihn zwei Stunden im Berufsalltag.
14 Uhr. Pfleger Toni verschafft sich einen Überblick am Monitor auf dem Gang: Verdacht auf Thrombose in Raum drei, Darmverschluss in der Eins. Im Schockraum versorgen mehrere Pfleger einen alkoholisierten Diabetiker mit Zuckerentgleisung – er schlägt um sich, ist nicht ansprechbar; Toni hilft. Im Überwachungsraum liegen eine alte Dame mit Arterienverschluss in beiden Beine und ein schlafender Mann Ende 50. Der Manchester-Triage-Monitor leuchtet rot: Ein Patient mit Shuntverschluss kommt gerade aus der Anmeldung. Er muss regelmäßig zur Blutwäsche, nun ist sein künstliches Blutgefäß im Arm wieder verstopft. Die diensthabende Fachärztin für Gefäßmedizin, Dr. Irem Ines Özensel, dirigiert: »Toni, bring den Herrn in die Fünf. Ich schaue hier parallel nach der Thrombose. Ist das Ultraschallgerät da?« Toni saust los. Wenig später ist klar: kein Blutgerinnsel bei der Dame, aber Lymphödeme. Toni umwickelt das geschwollene Bein fest mit Bandagen, desinfiziert danach Liege und Geräte. »Sie brauchen vom Hausarzt Kompressionsstrümpfe und Lymphdrainage. Ein Rezept ausstellen kann ich Ihnen nicht, wir sind ja eine Notaufnahme«, sagt Özensel. Toni nimmt in Raum fünf bereits Blut ab, sein Telefon klemmt zwischen Schulter und Ohr: »Ja, sofort. Ich bringe Frau Meier gleich hoch.« Die Ärztin untersucht den Arm des Dialysepatienten: »Das müssen wir operieren«, warnt sie den Patienten und ruft den Oberarzt dazu. »Dieses Mal will ich aber Chefarztbehandlung«, grinst der alte Herr. Die Fachärztin schaut erstaunt auf. »Ein Scherz! Ich interessiere mich doch nur für Sie«, zwinkert er.
15 Uhr. Im Überwachungsraum beugt sich Pfleger Toni hinunter zu der betagten Patientin mit den kalten, blauen Beinen. Er streichelt sie und hält ihre Hand. Sie ist taub und blind, hat Schmerzen und Angst. Toni versteht sie kaum, für die OP hat er gerade ihre Zahnprothese herausnehmen müssen. Ein J für Ja und N für Nein malt er in ihre Handfläche – die Unterhaltung scheint zu klappen, die Frau beruhigt sich. Einmal noch die Bettpfanne, diskret hinterm eilig aufgestellten Paravent und mit geübten Handgriffen im Einsatz – dann geht es Richtung OP. Tonis Telefon klingelt: »Ja, ja. Ich bin schon unterwegs.« Der Geruch im Zimmer stört den schlafenden Mann im Bett gegenüber nicht. Die Polizei fand ihn auf der Straße liegend, betrunken. Seine »furchtbaren Schmerzen im Oberbauch«, die ihn vor der Ausnüchterungszelle bewahrt haben, verschwinden mit dem Rausch nach einem langen Schlaf. Später wird er beinahe Feueralarm auslösen, weil er sich eine Zigarette ansteckt. Neben der alten Dame mit dem Darmverschluss sitzt ihr Sohn und bewacht die Mutter. »Alles wird gut, Mama. Du wirst gleich operiert und ich bringe dir deine Sachen und in ein paar Tagen kommst du wieder nach Hause.« Er sagt es etwas zu laut, seine Stimme zittert.
16 Uhr. Auf dem Flur kontrolliert Toni den Monitor. Neue Patienten sind gekommen: Unklare Schwellung am Kinn, Schmerzen nach Sturz am unteren Rippenbogen, Schnittwunde linke Hand, Kollaps während einer Herzschrittmacherkontrolle. Weiter geht’s…
Protokolliert von Dorothee Weihe
Kontakt
Dr. Martin Langenbeck
Leiter der Zentralen Notaufnahme
0421-5599-301
weihe.d@roteskreuzkrankenhaus.de
Rotes Kreuz Krankenhaus
St.-Pauli-Deich 24
28199 Bremen
www.roteskreuzkrankenhaus.de