Gynäkologische Onkologie
Ein besonders seltener Tumor
Die Bremerin Erika H. hat eine außergewöhnliche Wucherung im Unterleib. Von der Diagnose und Operation bis zur Therapie und Nachsorge wird sie von der gynäkologischen Onkologie der Frauenklinik im St. Joseph-Stift begleitet.

Mit einem fröhlichen Lächeln betritt Erika H. den Besprechungsraum zum Nachsorgetermin. Anne Frings, gynäkologische Oberärztin der Frauenklinik, freut sich, ihre 74-jährige Patientin in so guter Verfassung zu sehen. Sie kennen sich bereits seit sieben Jahren – seit es Frau H. immer schlechter ging. »Mein Bauch wurde immer aufgeblähter – trotzdem nahm ich ab, war total schlapp«, erinnert sie sich.
Die erste Verdachtsdiagnose beim Hausarzt: eine Glutenunverträglichkeit. Die verordnete Ernährungsumstellung bringt aber nur kurz eine Besserung. Schließlich überweist der Arzt sie an ihre Frauenärztin, die Erika H. wiederum direkt nach der Untersuchung mit der Diagnose ›Tumor im Unterleib‹ in die Frauenklinik des St. Joseph-Stift einweist. Nur einige Tage später wird die Patientin hier von einem interdisziplinär arbeitenden Team aus Frauenärztinnen und Chirurgen operiert: Ein zwölf Kilogramm schwerer Tumor wird vollständig entfernt. Von beiden Eierstöcken aus war dieser in das umliegende Gewebe gewachsen. »Da sowohl die erste Gewebeprobe während der OP wie auch das anschließende Ergebnis der Pathologie keine Klarheit lieferten, ob es sich um einen gut- oder bösartigen Tumor handelte, wurde eine zweite, sogenannte Referenzpathologie angefordert«, erinnert sich Gynäkologin Frings. Die Diagnose: Mikrozystischer Stromatumor des Ovars (MISTO)* – eine absolut seltene, aber zum Glück gutartige Tumorerkrankung des Eierstocks.
In einer gemeinsamen Online-Tumorkonferenz besprechen die Gynäkologinnen des St. Joseph-Stift das weitere Vorgehen mit Expert:innen aus der Berliner Charité. Da das Risiko einer Rückkehr der Wucherung auf der Basis der bisherigen Referenzfälle und Fachliteratur eher als gering beurteilt wird, empfiehlt das Team lediglich eine regelmäßige Nachsorge. Dennoch finden sich in der Kontrolluntersuchung bereits sieben Monate später neue Wucherungen. In einer weiteren Operation können alle Knoten entfernt werden; die Patientin fühlt sich endlich wieder fit. Anschließend erhält sie eine antihormonelle Therapie in Tablettenform, um ein erneutes Wachstum von Tumorzellen zu unterbinden.
»Mein Bauch wurde immer aufgeblähter – trotzdem nahm ich ab, war total schlapp.«
Erika H.
2024 spürt Erika H. abermals einen Druck im Unterbauch. »Mir war klar, da ist wieder was«, berichtet sie, und Anne Frings ergänzt: »In der Computertomografie war ein Rezidiv von acht mal neun Zentimetern erkennbar.« Fünf Tage vor dem geplanten OP-Termin stirbt plötzlich Frau H.s Mann – nach 53 Jahren Ehe. Doch ihre positive Lebenseinstellung und ihren Humor lässt sich die Patientin trotz des Schicksalsschlags nicht nehmen. »Ich hab’ dann gesagt, ich ziehe das durch, der Mist muss raus«, so die rüstige Rentnerin. Diesmal erhält die Patientin nach der OP eine andere Erfolg versprechende antihormonelle Therapie. Diese wird seitdem in Form von speziellen Hormonspritzen bei der niedergelassenen Frauenärztin durchgeführt.
Zum Abschluss des Kontrollgesprächs im St. Joseph-Stift fragt Erika H. Oberärztin Anne Frings mit einem Augenzwinkern: »Ich nehme die Spritzen brav weiterhin in Kauf und komme regelmäßig zur Nachsorge, dafür finden Sie in den nächsten zehn Jahren keinen neuen Tumor. Machen wir es so?« Frings lachend darauf: »So wäre es doch für uns beide das Beste!«
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Mikrozystischer Stromatumor der Ovarien
Dieser seltene gutartige Tumor, ausgehend vom Stroma der Eierstöcke, wurde erstmalig 2009 beschrieben. Das Stroma ist das bindegewebige Grundgerüst des Eierstocks und dient der Ernährung und Entwicklung der Ovarialfollikel, der Einheit aus Eizelle und den sie umgebenden Hilfszellen im Eierstock (Ovarium). In der englischsprachigen Literatur sind insgesamt nur rund 50 Fälle weltweit beschrieben. Der Tumor tritt meist einseitig auf, macht selten Absiedelungen und ist gut operabel. Ein Wiederauftreten ist sehr selten, weshalb es keine Standardbehandlung gibt.

Gynäkologische Onkologie im St. Joseph‑Stift
In der Frauenklinik des St. Joseph-Stift gibt es eine langjährige Expertise in der Betreuung und Behandlung von Patientinnen mit gut- und bösartigen Tumorerkrankungen von Gebärmutter, Eierstöcken, Vagina oder Vulva sowie deren Vorstufen. Jährlich werden etwa 120 Patientinnen aufgrund dieser Grunderkrankungen behandelt. Neben umfangreicher Diagnostik und operativer Therapie in der Frauenklinik können Patientinnen hier auch eine System- oder Chemotherapie sowie regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen im angeschlossenen MVZ im Ärztehaus Sankt Marien erhalten. Das Team aus spezialisierten Ärzt:innen, Pflegefachkräften und Therapeut:innen arbeitet dabei Hand in Hand, um bei jeder einzelnen Patientin das bestmögliche Behandlungsergebnis zu erzielen. Für diese ganzheitliche Begleitung werden Abläufe kontinuierlich überarbeitet und Fachpersonal entsprechend den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterqualifiziert.
Kontakt
Anne Frings
Gynäkologische Oberärztin der Frauenklinik
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Krankenhaus St. Joseph-Stift
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