Freie Kliniken Bremen — Vierfach umsorgt

Intensivtagebuch

Tagebuch einer Ausnahmesituation

Oft haben Patient:innen nur verschwommene Erinnerungen an ihren Aufenthalt auf der Intensivstation. Deshalb führt das Team im St. Joseph-Stift Tagebücher, die den Betroffenen helfen sollen, das Erlebte zu verarbeiten.

Maurice Scharmer

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Die Bedürfnisse der schwerstkranken Patient:innen in den Mittelpunkt zu stellen, ist das Ziel des Teams der interdisziplinären Intensivstation des St. Joseph-Stift. Bereits 2011 wurde sie als eine der bundesweit ersten Intensivstationen als ›angehörigenfreundliche Intensivstation‹ ausgezeichnet. Neben verschiedenen anderen Maßnahmen ergänzen seit 2018 die Intensivtagebücher dieses Anliegen.

»Da waren schemenhafte Gestalten, dazu ein unregelmäßiges Piepen von Geräten, überall Schläuche und Kabel.« Frank K. schließt die Augen. Die Eindrücke, an die er sich aus seiner Zeit auf der Intensivstation erinnert, sind vage. Es fällt ihm schwer zu unterscheiden: Was war Realität, was nur Traum?

Nach anfangs leichtem Fieber und Erkältungssymptomen daheim verschlechtert sich der Gesundheitszustand des 72-Jährigen rasant: Der Notarzt wird gerufen, Frank K. kommt mit einer schweren Covid-19-Infektion in die Schwachhauser Klinik, wo er in ein künstliches Koma versetzt wird. Vier Wochen liegt er auf der interdisziplinären Intensivstation, angeschlossen an Beatmungsgeräte. Meist ist er sediert, in einem Zustand zwischen Schlaf und Wachsein. Seit Kurzem ist er zurück zu Hause: Das Corona-Virus ist besiegt, der lange Weg zurück ins alte Leben liegt vor ihm. Dabei helfen soll ein kleines blaues Buch, gefüllt mit Notizen in unterschiedlichen Handschriften. »Meine Geschichte«, sagt Frank K. mit einem Schmunzeln – und Tränen in den Augen. In den Händen hält er das Intensivtagebuch, das Pflegekräfte, Ärzt:innen und Therapeut:innen für ihn geführt haben.

»Wir halten für unsere Patient:innen fest, was mit ihnen und um sie herum geschieht«, erklärt Fachkrankenschwester Margarita Szczuka, die das Tagebuch auf der Intensivstation etabliert hat. »Wir schildern Fortschritte, schreiben über Untersuchungen oder Besuche. Auch Angehörige können Gefühle und Wahrnehmungen zu Papier bringen. All das soll Betroffenen und ihren Angehörigen helfen, die Ausnahmesituation später besser verstehen und verarbeiten zu können.«

Im St. Joseph-Stift gehören Intensivtagebücher seit Ende 2018 dazu, anfangs noch als simples Notizbuch. Heute finden Patient:innen dort auch Bilder mit Erklärungen zu den medizinischen Geräten, die sie vielleicht von ihrem Bett aus wahrgenommen haben. Das soll helfen, Erinnerungen an bestimmte Geräusche einzuordnen. Die Tagebücher haben einen hohen Stellenwert und ihren festen Platz im Alltag der Intensivstation. »Ein Eintrag dauert nur wenige Minuten«, erklärt Margarita Szczuka. »Und die vielen positiven Rückmeldungen zeigen uns, wie hilfreich die Tagebücher für alle Beteiligten sind.«

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Frank K. ist zutiefst gerührt, wie zugewandt sich das Team auf der Intensivstation um ihn gekümmert hat. ›Seine Geschichte‹ liest er nur in kleinen Portionen. Alles zu verarbeiten, wird lange dauern. Das Intensivtagebuch begleitet ihn.

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Intensivtagebuch

Manche Intensivpatient:innen leiden aufgrund von Erinnerungslücken noch Monate später an Ängsten oder Depressionen. Studien belegen: Intensivtagebücher helfen bei der Verarbeitung des Traumas. Sie werden ab dem ersten Tag wie ein Brief an einen guten Bekannten geschrieben. Für das Team der Intensivstation bedeuten sie einen Perspektivwechsel: In einfachen Worten und ohne medizinische Fachausdrücke wird festgehalten, was für die spätere Aufarbeitung der Erkrankung von Bedeutung sein könnte.

Kontakt

Margarita Szczuka
Fachpflegekraft Interdisziplinäre Intensivstation
0421 347-1502
MSzczwka@sjs-bremen.de

Krankenhaus St. Joseph-Stift
Schwachhauser Heerstraße 54
28209 Bremen
sjs-bremen.de
facebook.com/stjosephstift
instagram.com/stjosephstift

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