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Inkontinenz

»Inkontinenz nach wie vor ein Tabuthema«

Viele Frauen schweigen über ihre Inkontinenz und fügen sich in ihr Schicksal. Doch individuelle Therapien bringen Linderung oder sogar Heilung. Dr. Karen Wimmer vom DIAKO im Gespräch.

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Dr. Karen Wimmer, Chefärztin der Frauenklinik und Urogynäkologin im zertifizierten Kontinenz- und Beckenbodenzentrum des DIAKO

gesundheit:bremen: Gibt es eine typische Harninkontinenz?
Dr. Karen Wimmer: Wir kennen vier Inkontinenzformen bei Frauen, die häufigsten sind Belastungs- und Dranginkontinenz, die auch als Mischformen auftreten. Ferner kennen wir die Überlauf- und die Reflexinkontinenz.

Was sind die Unterschiede?
Bei der Belastungsinkontinenz kommt es zu Urinverlust, sobald sich der Druck im Bauch erhöht, etwa bei Husten, Niesen oder Lachen. Dranginkontinenz bewirkt einen plötzlichen Harndrang, obwohl die Blase nicht voll ist. Überlaufinkontinenz tritt auf, wenn die Blase sich aufgrund eines Hindernisses, einer Lageveränderung oder Nervenschädigung nicht richtig entleeren kann. Ursache der Reflexinkontinenz sind Störungen im Bereich der Nerven, die die Blase steuern, etwa nach einem Schlaganfall.

Gibt es weitere Ursachen für Inkontinenz?
Ursache der Belastungsinkontinenz ist oft eine Schwäche des Beckenbodens oder ein Hormonmangel nach der Menopause. Eine andauernde Mehrbelastung durch erhöhtes Körpergewicht oder chronischer Husten reduzieren die Festigkeit des Beckenbodens. Auch Entbindungen können den Beckenboden schwächen.

Welche Diagnostik wenden Sie an?
Zunächst klären wir, wie häufig und in welcher Form die Beschwerden auftreten. Wir untersuchen, ob es zu einer Lageveränderung der Beckenorgane, einer Beckenbodenschwächung oder Schädigung gekommen ist, ob ein Hormonmangel existiert oder kombinierte Ursachen vorliegen. Per Ultraschall können Bewegungsmuster von Harnblase und -röhre beurteilt werden, was wichtig für die Wahl der Behandlungsmethode ist.

Welche Varianten stehen zur Verfügung?
Unter anderem kann Beckenbodentraining helfen. Bei Dranginkontinenz haben sich Medikamente bewährt, die die Aktivität der Blasenmuskulatur reduzieren. Zeigen diese keine Wirkung, wird die Behandlung mit Botox empfohlen, das in die Blasenwand injiziert wird. Jedoch ist die Wirkdauer begrenzt und der Eingriff muss bei nachlassender Wirkung wiederholt werden. Alternativ können operative Eingriffe helfen. Die bekannteste Form ist die Schlingen-OP, etwa bei Belastungsinkontinenz. Dabei wird ein Bändchen unter die Harnröhre gelegt, das den Blasenverschluss verbessert. Eine Umspritzung der Harnröhre kann in einigen Fällen die geeignetere Wahl sein. Bei einer Senkung der Beckenorgane wird die ursprüngliche Anatomie wiederhergestellt. Darüber hinaus kann ein ›Blasenschrittmacher‹ genutzt werden, um die Blase zu beruhigen oder zu stimulieren.

Ist Inkontinenz eine Frage des Alters?
Das Risiko steigt im Alter, die Erkrankung kann aber auch in jüngeren Jahren auftreten und bedarf einer individuellen Therapie. Die Kunst besteht darin, für jede Patientin das passende Konzept zu finden. Inkontinenz ist nach wie vor ein Tabuthema. Doch Frauen sollten sich nicht aus Scham damit abfinden, sondern sich behandeln lassen.

Das Gespräch führte Ingo Hartel.

Kontakt

Dr. Karen Wimmer
Chefärztin der Frauenklinik und Urogynäkologin im Kontinenz- und Beckenbodenzentrum
frauenklinik@diako-bremen.de
0421 6102-1201

DIAKO Ev. Diakonie-Krankenhaus
Gröpelinger Heerstraße 406–408
28239 Bremen
www.diako-bremen.de
www.facebook.com/diako.bremen

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