Scheinbar wollen es alle lernen: wie man von der Arbeit abschaltet, Gelassenheit trainiert, ›Life balance‹ erreicht. Wirklich? Wovon die vielen angebotenen Kurse, die Studien der Krankenkassen über Stress am Arbeitsplatz absehen: Die große Mehrheit der Menschen bei uns und in allen westlich orientierten Gesellschaften sind verliebt in den Stress, süchtig nach dem Adrenalin, das uns andauernd high sein lässt. Vom Arbeitsstress hasten wir in den Freizeitstress, in den Kommunikationsstress der sozialen Medien mit Smartphones und PC. Gestresstsein ist zum gesuchten normalen Lebensgefühl geworden.

Für uns Adrenalin-Junkies bedeutet Innehalten, Ruhe zulassen so viel wie in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen. Selbst vor dem Einschlafen muss bei vielen der Fernseher weiterlaufen. ›High arousal‹ nennen die Amerikaner diesen fatalen Dauererregungszustand, in dem sich unser vegetatives Nervensystem heutzutage am liebsten befindet – ohne Rücksicht auf Verluste: Der Schlaf klappt nicht mehr, das Immunsystem leidet enorm, zig Krankheiten werden vorbereitet, die Erschöpfungsdepression ist vorprogrammiert. Wie beim Entzug anderer Drogen braucht es zuallererst Einsicht in das, was die Adrenalinsucht mit uns macht, und dann den Mut, das ›Grauen der Stille‹ durchzustehen …